November 2020, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten.
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In der Ferne ist der Wald von loderndem Licht erhellt. Vared ist dabei, sich gegen eine schier nie endende Horde von Wölfen zu wehren. Mira steht angespannt und bewaffnet neben ihrem toten Kameraden. Ihr Blick richtet sich an die Fremde, die aus den Schatten erscheint. Sie trägt eine Kutte, die ich nur zu gut kenne.
»Bist du es wirklich?« Ich erhebe mich vom Boden und balle die Faust. »Das ist nicht wahr! Sag mir nicht, dass du dafür verantwortlich bist?«
Die Fremde schaut zu mir und befreit ihren Körper von dem Gewand. Sie sieht viel jünger aus als Nika. Ihre schlanke Figur ähnelt einer zarten Frau. Die grüne Haut ist geschmückt von leuchtenden blauen Blüten und schimmernden Blättern. Sie verdecken gerade mal das Nötigste. Ist das die Wirkung des Quellwassers?
»Siehst du es nicht, Noel.« Sie nähert sich mir mit geschmeidigen Schritten. »Ich habe es für dich getan. Ich habe dich befreit.«
Jetzt ist es klar. Es ist Nika!
»Befreit? Du hast sie alle umgebracht! Valan, Frau Hammelblatt, Familie Weizenacker – sogar ihre Kinder!«, schreie ich sie an. »Und Anna? Wo ist Anna?! Hast du sie etwa auch getötet?« Ich falle zurück auf Knie. Bei Stellux, das ist alles zu viel für mich. Warum hat sie das getan? »Wir haben dich gerettet, damit du uns hilfst! Damit du unser Dorf und unsere Familien schützt! Nicht um uns noch mehr Unheil zu bringen!«
Nika steht jetzt vor mir. Ich schaue ihr tief in die Augen. Sie leuchten grünlich.
»Diese Menschen haben dir alles verwehrt. Sie haben dich in Ketten gehalten. Ich habe dir nur deinen größten Wunsch erfüllt. Das getan, wofür du keine Kraft hattest.« Ihre Stimme wird zorniger. »Ihr tot war notwendig! Außerdem verabscheue ich die Menschen! Sie haben keinen Respekt vor der Natur – leben nicht mit ihr im Einklang. Im Gegenteil. Sie ist nur ein Mittel zum Zweck! Schau nur wie der Wald brennt. Wie er schreit!« Sie zeigt auf die Flammen in der Ferne und schaut trauernd zu Boden. Dann lächelt sie. »Als ich dich und deine kleine Freundin sah, hatte ich neue Hoffnung. Ihr seid unbefleckt. Eine neue Saat für die Menschen. Deswegen helfe ich euch.«
»Anna! Wo ist Anna?! Und wo ist Torwald? Was hast du mit ihnen gemacht?«
»Mein liebster Torwald.« Ihr Blick ist schlagartig wuterfüllt. »Er hat die Notwendigkeit nicht verstanden!«
Nika macht einige sanfte Handbewegungen und in der Ferne entsteht ein Kranz aus leuchtenden Blüten. Sie offenbaren eine große Pflanze. Im schleimigen Inneren ist Torwald zu sehen.
»Er wollte mich aufhalten! Er ist ein Narr und versteht es nicht. Aber ich verzeihe ihm. Diese Pflanze wird ihn mir näher bringen, als je zuvor. Er wird als neues, besseres Wesen erwachen.«
»Und Anna ...?« So sehr ich die Antwort fürchte, ich muss es wissen!
»Sie ist unversehrt. Keine Sorge.«
Sie lebt! Erleichtert breche ich in Tränen aus.
»Anna! Ich muss zu ihr! Wo ist sie?«
»Ich habe sie zu einem alten Freund von mir geführt. Sie ähnelt jemandem, weißt du? Er wird sich freuen, sie bei sich zu haben.«
»Einem Freund? Wem? Nika! Ich muss zu ihr!«
»Nika? So wie Nihidakka?«, fragt Mira. »Du bist es also wirklich!«
»Ihr kennt euch?« Ich hatte sie fast vergessen. Sie steht mit gezogenem Schwert einige Meter von uns entfernt und hat alles mit angehört.
»Nihidakka Aldikki, die Treulose.« Miras Blick ist von Hass erfüllt. »Ich habe schon Geschichten von ihr gehört. Sie ist die berühmteste und älteste Dryade. Seit fast 500 Jahren weilt sie auf dieser Welt. Sie sollte viel älter aussehen, wie ist das möglich?«
»Wir haben sie gerettet. Durch ein Verjüngungswasser von der Mastar-Quelle.«
»Ihr habt was? Diese Dryade ist eine Mörderin! Sie ist vollkommen wahnsinnig! Schau nur, was ihr angerichtet habt!« Mira hebt ihre Hand und dreht sich kurz zu ihrem toten Kameraden um. »Dieses Dorf hat sie an sich selbst erinnert. Es hat sich alles wiederholt! Sie hat sie alle abgeschlachtet wie Vieh! Die Geschichten von ihr handeln von dem Mastar-Massaker! Hier! In diesem Wald! Ganz in der Nähe! Vor Jahrhunderten von Jahren! Eine kleine junge Dryade, der es nicht erlaubt war, ihre Heimat zu verlassen. Hasserfüllt hat sie ihre ganze Familie umgebracht. Sie hat sie alle vergiftet! Seitdem irrt sie durch unsere Welt, vollkommen allein, gehasst und verabscheut von ihrem Volk.«
»Stimmt das?«, frage ich Nika.
Es herrscht kurz Stille. Im Hintergrund sind noch immer die Flammen zu sehen.
»Ihr ... tot ... war ... notwendig.« Nika dreht sich zu mir. »Noel, du verstehst es, oder? Diese ewige Gefangenschaft. Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Die Welt hat auf mich gewartet. Ich wollte sie alle sehen. Die Bäume. Die Blumen. Die Tiere. Sie riefen nach mir.«
»Nein!« Ich schüttle den Kopf. »Ziele und Wünsche dürfen niemals von einem Besitz ergreifen. Sie nähren sonst die Dunkelheit. Wenn du, um sie zu erreichen, anderen Leid bringst, ist es nicht der richtige Weg. Das hat Stellux mich gelehrt! Du irrst dich, Nika!«
Sie schaut mich verwundert an. »Ich hätte gedacht, dass du es verstehst. Wir ähneln uns doch so. Bedauerlich. Stellux hat deinen Verstand vergiftet.«
»Der einzig vergiftete Geist hier, bist du«, antwortet Mira. »Du hast so viele wehrlose Menschen getötet. Das ist unverzeihlich.«
Sie streckt ihren Arm, samt Schwert, zur rechten Seite aus. »Wir haben genug geredet. Ich werde diesen Wahnsinn jetzt beenden und diese Welt von dir befreien.«
»Erneut spricht der Hochmut eines Menschlein.« Nika kichert.
»Warte, Mira!«, rufe ich dazwischen. »Ich muss wissen, bei wem Anna ist!«
»Wir finden sie schon!« Mira verlagert ihr Gewicht auf den vorderen Fuß und positioniert ihr Schwert über dem Kopf.
Nika schaut mich lächelnd an. »Keine Sorge, Noel. Durch die Mastar-Quelle habe ich alle meine Kräfte zurückgewonnen. Ein einfacher Mensch ist keine Gefahr für mich. Besonders nicht in diesem Wald.«
Hätten wir ihr bloß nicht diese Phiole gebracht. Dann würden sie alle noch leben. Verdammt! Aber für Reue ist es zu spät. Aber Nika töten? Bei Stellux, sind heute nicht schon genug gestorben? Gibt es keinen anderen Weg, sie zur Vernunft zu bringen?
Als Nika sich wieder ihrer Kontrahentin widmet, ertönt ein lautes Geräusch und Mira schnellt nach vorn. In Sekunden steht sie bereits vor ihr und rammt die Klinge tief in ihre Brust. Sie starrt die Dryade voller Hass an.
»Ich sagte, genug geredet!«
Nika keucht und gibt ein schmerzliches Stöhnen von sich. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Das hat sie wohl nicht erwartet. Aus der Wunde fließt ununterbrochen eine grüne Flüssigkeit ihren Körper entlang.
Zeitgleich bewegt sich etwas an Miras Füßen. Es sind Wurzeln!
»Mira! Pass auf!«
Sie schaut zu Boden und weicht im letzten Moment zur Seite aus, bevor die Falle zuschnappt. Ihr Schwert bleibt in der Dryade stecken.
»Scheiße! Das war knapp«, flucht sie. Ihr Blick ist bei der Dryade. »Warst du das? Du solltest durch den Hieb schwer verletzt sein!«
Nika grinst. »Ach, Mädchen. Habe ich es nicht gesagt? Du kannst mir nichts anhaben. Egal wie schnell du auch sein magst.« Sie zieht das Schwert aus ihrer Brust und die Wunde wird von schnell wachsenden Rinden verschlossen. »Ein Mensch sollte nicht in der Lage sein, einen Geschwindigkeitszauber zu wirken. Sag mir, Mädchen, warum beherrscht du diese Magie?«
Nika wirft die Waffe Mira vor die Füße und schaut sie fragend an.
»Das geht dich nichts an!«, Sie hebt ihr Schwert auf und nimmt erneut eine Kampfhaltung ein. »Glaub ja nicht, dass ich schon aufgebe! Auch Regenerationszauber haben Grenzen.«
Sie startet einen zweiten Angriff. Nika reagiert zeitig und eine Wurzel peitscht in Miras Richtung. Sie weicht aus, bricht den Angriff aber ab. Die Dryade gibt ihr keine Luft zur Erholung und schleudert ihr weitere Hiebe entgegen, während sie entspannt auf der Stelle steht und ihre Arme seicht bewegt.
Nach kurzer Zeit wagt Mira eine aggressivere Strategie. Sie schneidet sich nach und nach durch die heranschnellenden Wurzeln. Es funktioniert! Sekunden später erreicht sie Nika und trennt ihr einen Arm ab. Mit Kampfschreien schlitzt sie die Dryade in unmenschlicher Geschwindigkeit auf, bis sie ihr am Ende den Kopf abschlägt. Der restliche Körper fällt schlagartig zu Boden.
»So viel zu unbesiegbar.« Mira spuckt auf den leblosen Körper. »Das war für Oskar!« Sie bricht erschöpft zusammen.
Sie hat sie getötet. Ich bin erleichtert und doch betrübt. »Hätte es keine andere Lösung gegeben, als noch mehr zu töten?«
»Manche Seelen rettet nur noch der Tod, glaub mir.« Ihr Blick ist streng. »Jetzt suchen wir das Mädchen und den Kommandant und verschwinden von hier. Ich habe die Schnauze voll von diesem Grünzeug.«
»Und Torwald!« Ich sehe nach ihm. Er ist noch immer in der Pflanze gefangen. Der Zauber ist nicht erloschen. Moment! Heißt das ...?
»Was zum – scheiße!«, ruft Mira.
Ich drehe mich sofort um. Sie ist an Wurzeln gefesselt und bewegungsunfähig. Dabei wird sie in die Luft gehoben.
Nika lebt! Ich beobachte, wie sich ihre einzelnen Teile wieder zusammensetzen. Es dauert nur Sekunden!
»Du verstehst es nicht.« Eine strahlende, große blaue Blüte erscheint unter Nika und trägt sie in die Luft. Die Nacht erstrahlt in ihrem Licht.
Was soll ich jetzt machen? Ich schaue mich hilfesuchend um. Im Augenwinkel sehe ich Norbert! Annas Vater! Er liegt blutend und verletzt an einem Baum. Ist er am noch am Leben? Ich muss zu ihm, aber Mira benötigt auch meine Hilfe. Sie versucht vergeblich, sich aus ihren Fesseln zu befreien.
»Dieser Wald ist mein Zuhause, Mädchen. Ich bin eins mit ihm. Meine Magie ist hier mächtiger, als du es dir je erträumen kannst.«
Mira schreit auf und zappelt wild umher. »Aaah! Leck mich doch!« Ihre Atmung ist schnell. Sie ist in Panik. »Ich werde hier sicher nicht sterben.«
»Keine Sorge.« Nika liegt entspannt in der strahlenden Blume auf dem Bauch und kichert. Sie schaut Mira tief in die Augen. »Gleich ist es vorbei.«
Mit gestreckten Händen und Beinen hängt Mira in der Luft. Die Wurzeln ziehen sie auseinander.
»Nika, hör auf damit!«, rufe ich ihr zu. »Es reicht! Es gibt schon genug Opfer!«
»Versteh es doch endlich. Es ist notwendig, Noel.«
»Nein! Ist es nicht. Ich lasse es nicht zu, dass du noch mehr unschuldige Menschen tötest.«
Mit gezogenem Messer wage ich mich vor. Ich versuche, die Wurzel zu zertrennen. Aber sie ist zu dick. Es dauert zu lange!
»Unschuldig? Menschen? Pah! Reicht dir das, was du gesehen hast, nicht als Beweis, Noel?«
»Doch! Ein Beweis dafür, dass die Dunkelheit dich verzehrt hat.« Ein weiteres Mal ramme ich das Messer in die Wurzel, aber sie wächst zu schnell nach. Auch Miras Befreiungsversuche sind aussichtslos.
»Es ist zwecklos. Du brauchst weitaus mehr als ein Messer, um mich aufzuhalten.«
Plötzlich schnellt eine Flammenwand auf das Geschehen zu. Nika schreit panisch auf und flüchtet mit ihrer Blüte in Sicherheit. Mit einem wuchtigen Hieb trennt ein riesiges Schwert die Wurzeln hindurch. Es erinnert mich an Vater, wenn er wieder mit einem Schlag Holzstücke zertrennt. Das hat er nur mit seiner Lieblingsaxt Judy geschafft.
Aber nicht Vater hat uns gerettet. Es ist Vared. Er hält in einer Hand sein Schwert, während er mit der anderen Mira auffängt. »Du meinst sowas?«
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